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HIER, WO ICH LEBE

 

Ich eß wie du das ungereifte Obst
Die Erdbeern und die Kirschen im Dezember
Das Kind kommt in die Schule im August
Und nicht wie du und ich noch im September
Ich schau schon nicht mehr nach den Dingen
Sondern nach den Markennamen in den Läden
Doch von den Songs, die meine Mutter mir von
Ihrer ABF vermacht hat, weiß ich heut noch jeden

Ich glaub schon manchmal, was der Kanzler glaubt
Und seine Innenaußenkriegsminister
Die Kunst, die dich ins Herz trifft und der größte
Schwachsinn sind inzwischen Stiefgeschwister
Ich kann schon hinter coolen Sprüchen
Meine Ahnungslosigkeiten gut verstecken
Doch weiß ich noch genau wie Vietnam siegte
Und wie Meldungen, wie die aus Chile, bitter schmecken

Ich mach mir schon um die Patienten
Aus der Dienstagabendserie echte Sorgen
Und die Faschisten paradiern auf offner
Straße aus dem Gestern in das Morgen
Ich kauf wie du fürn bißchen Geld das Angebot
Das ich nicht brauch und nicht begehre
Doch Timur und sein Trupp und Robert Iswall
Aus der Aula komm‘ mir immer wieder in die Quere

Ich rauch die Zigarettensorte aus der
Kinowerbung fast wie unausweichlich
Die Aktien stehen, wenn die Erde bebt
Auf all den Todesopfern unvergleichlich
Ich glaub wie du, ich weiß, was in der Welt
Passiert, wenn ich in meine Zeitung sehe
Und doch, die Träume der Commune, die mir mein
Vater anvertraut hat, parken noch ganz in der Nähe

Hier, wo ich lebe, komm ich nicht mehr an
Und kann nicht gehn nach irgendwo
Nicht heut und irgendwann

Frank Viehweg © 2001

Zuletzt aktualisiert am 14.12.2014 von Frank Viehweg.

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