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DER GEIGER

nach Konstantin Nikolski


Der Geiger hat den Frack zerstreut
An einen Stuhl gehängt
Die Fliege grad zurechtgerückt
Die ihm den Hals einzwängt
Komm doch näher, um zu hören
Seine Töne, seine Lieder
Wenn du noch nicht ganz betrunken bist

Singt Verderben und Vergnügen
Falschheit und Verlaß
Von der Liebe höchstem Stern
Und von tiefstem Haß
Was geschieht und was geschehn ist
Alles, Sück für Stück
Lebt in Tönen der Musik und
Kehrt zu dir zurück

Die Dinge lärmen um dich her
Die Jahre rennen fort
Warum kamst du auf diese Welt
Was hält dich hier am Ort
Und was längst in dir begraben
Alles weckt die Geige wieder
Wenn du noch nicht ganz betrunken bist

Die Geige stöhnt, die Angst macht leicht
Aus jedem Kerl ein Wrack
Der Geiger nimmt erschöpft ein Glas
Und greift nach seinem Frack
Und geht wortlos von der Bühne
Ohne seinen Geigenkasten
Fast, als ob er heut betrunken ist

Doch die Melodie klingt weiter
Töne sanft im Wind
Die im Lärm des Alltags
Kaum zu hören sind

Frank Viehweg © 2003

Zuletzt aktualisiert am 19.02.2016 von Frank Viehweg.

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