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LEICHT VERSCHRAMMT

nach Jaromír Nohavica


Vielleicht bin ich zu alt für revolutionäre Träume
Doch paßt mein dicker Schädel auch nicht in Kapuzensäume
Ich habe keinen Appetit auf vorgekochtes Essen
Ich fühl mich hilflos, hab ich meine Medizin vergessen
Und wie es aussieht, werd ich schwer durchs Nadelöhr gelangen
Ich renne durch den Wald, damit die Wölfe mich nicht fangen
Und daß ich leicht verschrammt nur durch die Zeiten fand
Verdank ich dem Engel, der neben mir stand

Hab Ruß und Asche auf der Jacke wie zwei Schicksalsboten
Und meine ungeschickten Finger knüpfen keine Knoten
Ich laufe immer öfter auf den ausgetretnen Wegen
Und wenn mir doch die Tränen kommen, wehr ich mich dagegen
Ich habe viel gesehn und manches rann mir durch die Hände
Doch abgebrüht werd ich nicht sein bis an mein Lebensende
Und daß ich leicht verschrammt nur durch die Zeiten fand
Verdank ich dem Engel, der neben mir stand

Ich traf auf Hohe Tiere, Lumpen auch in finstren Gassen
Auf diese Erde kam ich nackt und werd sie nackt verlassen
Ich war ein Kind noch, als durch Prag die schweren Panzer fuhren
Und als ich älter wurde, ging die Hoffnung mit den Huren
Doch noch bevor mich Petrus ruft, zur Prüfung aufzusteigen
Will ich mich vor den großen Dichtern dieser Welt verneigen
Und daß ich leicht verschrammt nur durch die Zeiten fand
Verdank ich dem Engel, der neben mir stand

Ich habe Marx-Zitate schon in aller Welt gesehen
Ich kann auch in der Bibel ein paar Sätze gut verstehen
In fremden Ländern stand ich sprachlos vor den Plastiktannen
Den besten Kaffee koch ich selbst in kleinen Kupferkannen
Ich laß mir mit vier Assen in der Hand das Spiel entgehen
Und will noch einmal Hansa gegen Bayern siegen sehen
Und daß ich leicht verschrammt nur durch die Zeiten fand
Verdank ich dem Engel, der neben mir stand

Die Menschen haben doch mitunter ganz verrückte Seiten
Ich aber, Liebe, liebe dich noch immer wie vor Zeiten
Wenn wir die Zwiebeln, Pilze und den Rotwein zelebrieren
Wenn du den Finger hebst wie einen Stab zum Dirigieren
Und droht uns manchmal etwas voneinander fortzutreiben
Nach all dem Schlechten wird zuletzt das Gute übrigbleiben
Und daß ich leicht verschrammt nur durch die Zeiten fand
Verdank ich dem Engel, der neben mir stand

Frank Viehweg © 2008

Zuletzt aktualisiert am 19.02.2016 von Frank Viehweg.

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